Alptraum Muttertag

Der Songtext  des holländischen Kinderstars Heintje, der das Lied 1967 zum ersten Mal gesungen hat,

Wenn du noch eine Mutter hast, dann danke Gott dafür, den allerschönsten Blumenstrauß, bring ihn noch heut zu ihr…….,

ist für die 55-jährige Klientin ein Albtraum. Allein der Gedanke, dass zum diesjährigen Muttertag ein Besuch bei ihrer 79-jährigen Mutter ansteht, löst in ihr Widerstand, Übelkeit und Erbrechen aus. „Ich will da nicht hin“, sagt sie aufgeregt, „aber ich muss, weil man ja zum Muttertag die Mutter besucht. Und wenn man das nicht macht, dann ehrt man die Mutter nicht, und das ist schlimm. Aber mir dreht sich dabei der Magen um. Bis heute lehnt mich meine Mutter ab und ich weiß nicht warum. Meine Mutter mag mich nicht und das lässt sie mich jeden Tag spüren, seit 55 Jahren. Ich kann nicht mehr. Sie will mich nicht mehr sehen, aber komme ich dann nicht zu den Familientreffen, dann werde ich beschimpft und runtergemacht, was ich denn für eine eingebildete Tochter sei und ob ich mich für etwas Besseres halten würde. Meine Oma hat mich geliebt aber meine Mutter hasst mich vom ersten Tag an. Das ist eine Katastrophe, das ist eine Katastrophe.“

Die äußerlich starke Frau ist innerlich erschüttert und erkennt die unsagbaren Jahrzehnte der Ablehnung als eine persönliche Katastrophe, die ihre bisherige Biografie maßgeblich depressiv, abhängig und ängstlich bestimmt hat und sie urplötzlich trifft. Sie ringt nach Worten und atmet schwer, die innere, emotionale Bewegung macht sie fassungslos. „Ich muss gleich weinen“, sagt sie, hält sich aber dann zurück.

Die Klientin beschreitet in der Beratung einen Ablösungsprozess von der Mutter und will anschließend in einen Abrechnungs- und Vergebungsprozess einsteigen. Sie erkennt, dass sie bis heute nach der Liebe und Zuwendung der Mutter verlangt hat und sich dabei täg-lich der unvorstellbaren, schmerzlichen Ablehnung und Lieblosigkeit der Mutter aus-gesetzt hat.

„Ich muss umdenken und von meiner Mutter loslassen“, sagt sie und trifft die weit-reichende Entscheidung, nicht mehr daran festzuhalten von der Mutter endlich die ersehnte Liebe und Zuwendung zu bekommen, die ihr zusteht. Mit 55 Jahren wird die Klientin schließlich aus der emotionalen Abhängigkeit zu ihrer  Mutter frei und beginnt, „auf noch wackeligen Beinen“, selbstbestimmt zu leben.

„Ich habe Gott immer mit meiner Mutter verwechselt. Das muss ich aufgeben. Meine Mutter ist nicht Gott, das muss ich trennen“, sagt sie erstaunt. Sie erlebt in einer ein-drücklichen  Beratungsstunde, dass Gott ein liebender Gott ist, der sie persönlich liebt. Das ist für diese Frau ein stabiler Identitätsfaktor, auf dem sie ihr neues Selbstbild stellt und dabei einen spürbaren inneren Halt wahrnimmt.  „Es ist“, sagt sie, „als würde sich die Welt auf den Kopf stellen.“

Die gelernte Krankenschwester erlebt mit 55 Jahren den Inhalt des populären Spruches:

Liebe ist, wenn jemand deine Welt auf den Kopf stellt und sie sich zum ersten mal richtig anfühlt,

wie eine Neugeburt,  ausschließlich aufgrund der Wahrheit über sich und des eigenen Selbstbildes, dass sie eine geliebte Tochter, Frau und ein geliebter Mensch ist, der von Gott wunderbar und kostbar gemacht ist. Das ist transformierende, befreiende Selbsterkenntnis, die im Kern Veränderung schafft.

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