Der 25-jährige Absolvent einer theologischen Fakultät, der mir in der Beratungspraxis gegenüber sitzt, ist sich sicher, er will einen pastoralen und missionarischen Dienst ausüben. Seine Leidenschaft für diesen Weg ist groß. Fast hätte er den Abschluss des Studiums nicht geschafft. Immer wieder hatte er mit depressiven Phasen zu kämpfen, die eine kontinuierliche Teilnahme am Unterricht verhinderten. Der Grund seiner massiven Stimmungsschwankungen, die bis heute anhalten, ist ein exzessiver Konsum pornografischer Bilder. „Ich will damit aufhören, aber ich schaffe es nicht“, sagt der junge Mann in einer resignierenden Art. „Ich glaube, ich will es nicht wirklich, mein Wille ist nicht stark genug. Ich würde gerne herausfinden, was die Wurzel ist, warum ich das tue und mich besser verstehen lernen.“
Der Konsum pornografischer Bilder ist für viele Jugendliche und Erwachsene zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Was früher in „Schmuddelkinos“ oder in der hintersten Ecke der Videothek verfügbar war, ist heute nur einen Klick entfernt. 40 Prozent der deutschen Kinder suchen online nach pornografischen Inhalten. Durchschnittlich sind Kinder elf Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal pornografische Bilder oder Filme konsumieren. Mein Klient war 10 Jahre alt und gehört heute zu den 500.000 Porno-und Sexsüchtigen in Deutschland. Für den gläubigen Christen ist der Pornokonsum zu einer Belastung geworden, die sein Gewissen, seine Seele, seine psychische Gesundheit und das Sozialverhalten beeinträchtigen. Der soziale Rückzug nach jedem Konsum, den Tag im Bett zu verbringen, das Haus nicht zu verlassen, Begegnungen zu meiden sowie die Bewertung des Konsums, die stets in Selbstverdammung und Verurteilung seiner Person mündet, sind die ersten Faktoren, die im Beratungsverlauf thematisiert werden. Die erste finale Arbeitsaufgabe wird sein, den destruktiven, sozialen Rückzug aufzulösen.
Die angewandte kognitive Verhaltensanalyse deckt auf, dass die Ursache für die soziale Isolation die Selbstablehnung ist. Seine innere Selbstbewertung nach dem Konsum ist die Selbstabwertung und Selbstverdammnis seiner Person. „Ich bin schlecht, ich bin ein Sünder, ich bin nicht wert ein Kind Gottes zu sein, ich widere mich an“, denkt der junge Mann über sich selbst und teilt mir im Gespräch seine Gedanken und Haltungen mit. Mit diesen Bewertungen gehen Gefühle von Hass und Wertlosigkeit einher. Wir vereinbaren, in einer kurzen Zeit der stillen Konzentration mit geschlossenen Augen, auf „Gott zu hören“, welche Gedanken, Haltungen oder Absichten Gott für ihn, unmittelbar nach einem Pornokonsum, hat. Der junge Theologe lässt sich darauf ein.
Er nimmt einen Vers aus der Bibel wahr. „Wenn uns unser Herz verdammt, ist Gott größer als unser Herz und erkennt alle Dinge“ (1.Joh 3,20). Er empfindet eine wohlige, dezente Wärme, die ihm gut tut. Aus dem Vers geht für ihn deutlich hervor, dass Gott ihn nicht verdammt und er in Gott angenommen und aufgehoben ist. Diese „Offenbarung“ für sich anzunehmen, umzusetzen und an sich selbst weiterzugeben, dauerte arbeitsintensive drei Monate und sechs Beratungsgespräche, weil er es nicht glauben konnte, dass Gott so persönlich mit ihm umgeht. Als die „Neugeburt“, das neue, veränderte Denken und der neue Umgang mit sich selbst stattgefunden hat, verringerten sich der Konsum, die Selbstverdammnis und der soziale Rückzug. Der junge Mann ist auf einem guten Weg den destruktiven Pornografiekonsum auszutrocknen und seine Identität als Kind Gottes zu leben.