Ein Ehepaar durchläuft eine überdimensionierte Leidensgeschichte, als ihre 26-jährige Tochter sich 2022 das Leben nimmt. Während eines psychiatrischen Klinikaufenthaltes geht die Tochter in den nahen Wald und erhängt sich. Ihre Depression konnte sie nicht mehr ertragen.
Die Eltern sind religiös. Beide sind getauft, besuchen den Gottesdienst und beten mit ihren drei Kindern. Doch die Eheleute und Eltern bewältigen das schwere Leid völlig unterschiedlich. Die Mutter steht in ihrem Leid Gott gegenüber und klagt ihm ihr Unverständnis, ihre Enttäuschung und ihren Schmerz ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie macht sich selbst Vorwürfe, fühlt sich als eine schlechte Mutter und als Versagerin. Ihre Tränen, ihr Weinen und Schluchzen sind herzzerreißend. „Gott soll es mir erklären“, sagt sie unerbittlich, ich bin enttäuscht von Ihm.“
Der Vater wendet sich von Gott ab und macht ihn für die Tragödie verantwortlich. „Wo bist du, wo warst du?“, fragt er vorwurfsvoll, „ich will mit dir nichts mehr zu tun haben.“ Zudem gibt er der Mutter die Schuld am Suizid der Tochter und wird ihr gegenüber hand-greiflich. In seinem Gram und Schmerz begeht er Ehebruch und zieht, auf Verlangen der Ehefrau, aus dem gemeinsamen Haus aus. Die Scheidung steht an, das Ehepaar befindet sich im Trennungsjahr, sechs Monate nach dem Suizid der Tochter. In dieser aktuellen Phase sagt die leidende Mutter und Ehefrau überraschend: „Ich spüre Gottes Liebe und Fürsorge und seinen Trost. Ich werde stärker obwohl ich schwach bin.“ Beim Vater und Ehemann hält die Art seiner Religiosität dem schweren Leid nicht stand. Bei der Mutter und Ehefrau nimmt die Nähe Gottes zu.
Religiös zu sein ist für sich alleine noch kein Qualitätsmerkmal, aber im Leiden zeigt sich die Qualität der Religiosität. Das Leid trifft jeden, früher oder später, hart oder schwach. Wer dann einen tragfähigen, innigen Gottesbezug hat, ist besser ausgestattet, als Atheisten oder Scheinheilige.